Was ist philosophische Praxis?

Praxis, Philosophische. Den Begriff Ph.P hat G.B. Achenbach bei der Gründung seines Institutes für Ph.P. geprägt: unter Ph.P. versteht er die professionell betriebene "philosophische Lebensberatung", die "in der Praxis" eines Philosophen geschieht. "In der Ph.P. werden wir nicht als Lehrer der Philosophie gefordert, sondern als Philosophen." "Die konkrete Gestalt der Philosophie ist der Philosoph: und er, der Philosoph als Institution in einem Fall ist die Ph.P.." Dabei ist "die Ph.P. ... ein freies Gespräch. ... Sie ... verordnet keine Philosopheme ..., verabreicht keine philosophische Einsicht, sondern sie setzt das Denken in Bewegung: philosophiert" zusammen mit dem Ratsuchenden - den sie nicht als "Fall" unter vorgegebene Problem- und Lösungsschemata subsumiert, sondern auf den als Individuum sie eingeht - und kann so helfen, indem sie seine Orientierungsblockaden lockert und aufhebt: die "Ph.P. weiß nicht Bescheid, manchmal aber weiter". ("Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd.7 Basel 1989 S.1307)


Es ist das Schicksal des Menschen, dass er sein Schicksal nicht kennt. Er lebt in einer unabgeschlossenen Geschichte. Freude und Fülle, Liebe und Lust sind ebenso Teile des Lebens wie Ungewissheiten, Krankheiten, Verlust und Tod. Aber alles, außer den Gewohnheiten, begleitet das Staunen, das Staunen darüber, dass überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts. Mitunter geraten die Gewohnheiten aus der Bahn, das innere Eigenste wird von Unruhe oder Schwere erfasst. Starke Gefühle und überzogene Vorstellungen führen zu Einbildung und Wirklichkeitsverlust: Ich verstehe mich nicht mehr, die anderen Menschen nicht und auch nicht die Welt. Es gibt richtige und falsche Gedanken, wie es richtiges und falsches Essen gibt. Richtige Gedanken sind fruchtbare Gedanken, ihnen entspringt gelungenes oder zumindest versöhntes Leben; falsche Gedanken sind unfruchtbare, führen zu Verkümmerung, Verlust und Impotenz. Der Mensch kommt nicht zu sich selbst, wird unzufrieden, fühlt sich unausgeglichen, leidet; er wird vom Ungedachten seiner Geschichte eingeholt. In Philosophischer Praxis wird Ungedachtes zu Gedachtem, als Gedachtes zu bewusstem und gefühltem Leben. Philosophische Praxis sucht die Lebensgeschichte zu verstehen und die Umstände, in die Menschen verstrickt sind.


Zweifeln und Staunen; Lebensfreude: "Die Tragik des Menschen ist die des Verhungernden, der an der gedeckten Tafel sitzt und die Hand nicht ausstreckt, weil er nicht sieht, was vor ihm ist. Denn die wirkliche Welt ist unerschöpflich an Fülle, das wirkliche Leben ist wertgetränkt und überströmend, wo wir es fassen, da ist es voller Wunder und Herrlichkeit" (N. Hartmann "Ethik")